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Jetzt anmeldenSeit Juli 2019 ist die Nutzung von E-Scootern im deutschen Straßenverkehr offiziell erlaubt. Laut Statista waren im selben Jahr bereits über 50.000 E-Scooter von verschiedenen Anbietern in deutschen Großstädten als Leihfahrzeuge unterwegs – Tendenz steigend: Es wird erwartet, dass der Markt für das E-Scooter-Sharing in Deutschland zwischen 2024 und 2029 jährlich um 3,69 Prozent wachsen wird. Wie können Städte die steigende Anzahl an E-Scootern sinnvoll in ihre Verkehrsplanung einbeziehen? Zu welchen Zeiten ist die Nachfrage besonders hoch und welche Services wünschen sich die Nutzer*innen von den Anbietern?
Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Mobilität. Sie untersuchen Shared Micromobility Services – also die geteilte Nutzung kleiner, elektrisch betriebener Fahrzeuge wie E-Scooter oder E-Bikes, die über digitale Plattformen kurzfristig gemietet werden können. Ziel der Wissenschaftler*innen ist es, auf Basis der Erhebung und Analyse von Mobilitätsdaten neue Strategien zur Netzwerkplanung und Regulierung dieser Dienste zu entwickeln.
Um belastbare Daten zu generieren, hatten die Wissenschaftler*innen in der Vergangenheit bereits ein Web Scraping von E-Scooter-Anbietern durchgeführt. Hierbei wurden die Daten und Inhalte Anbieter-Websites mithilfe geeigneter Software ausgewertet. Die Wissenschaftler*innen ergänzten die erhobenen Daten mit Umwelt- und Wetterdaten sowie öffentlichen Verkehrsplänen. Daraus entstand ein Datensatz, der Informationen über die Nutzung von E-Scootern in über 30 Städten beinhaltet. Diesen Datensatz reichern die Wissenschaftler*innen fortlaufend mithilfe weiteren Web Scrapings an.
ML-basierte Prognosen zur Planung von Infrastruktur und Ausrichtung der Services
Aus dem Datensatz erstellten die Wissenschaftler*innen eine Simulationsplattform, die die Fahrten der E-Scooter abbildet. Dadurch werden die Routen, die Start- und Endpunkte, die Dauer der Fahrten sowie die Einsatzgebiete deutlich. Auf Basis dieser Simulation kann ML 1.) die Nachfrage nach E-Scootern vorhersagen, 2.) neue Erkenntnisse zur Netzwerkplanung liefern und 3.) die Auswirkungen von Regulierungen ermitteln. Bei der Prognose der Nachfrage geht es darum zu erfahren, wie viele Fahrten in welchem Zeitraum und in welchen Gebieten voraussichtlich getätigt werden. Diese Informationen sind für Anbieter der Shared Micromobility Services eine wichtige Grundlage ihrer strategischen Entscheidungen, z. B. zur Größe der Flotte.
Erkenntnisse zur Netzwerkplanung sind sowohl für die Service-Anbieter als auch für Städte relevant, um Ladestationen, Parkplätze und Service-Center zu planen. Eine weitere wichtige Grundlage für die Planung und Umsetzung von Micromobility Services ist die Regulierung. Dabei wird untersucht, wie sich bestimmte Einschränkungen auf die Nutzung der Dienste auswirken. Zu solchen Einschränkungen zählen Geofencing (ausgewiesene Regionen dürfen nicht befahren werden), zeitliche Beschränkungen (E-Scooter dürfen zu bestimmen Zeiten nicht genutzt werden), Kombinationen aus räumlichen und zeitlichen Einschränkungen (z. B. dürfen E-Scooter in einem Park nur zu bestimmten Uhrzeiten genutzt werden) sowie die Preisgestaltung (z. B. unterschiedliche Preise je nach Tageszeit oder Wochentag).
Wir konzentrieren uns bei unserer Forschung darauf, wie sich das Geofencing auf die Nutzung der E-Scooter auswirkt. Der Datensatz wäre auch dafür geeignet, die übrigen Optionen der Regulierung zu untersuchen. Darüber hinaus könnten wir mithilfe des Datensatzes Auswertungen zu Vertriebszwecken, zur Nutzerzufriedenheit und zur Erschließung neuer Märkte durchführen. Man kann hier also durchaus von einem Datenschatz reden, den wir in den vergangenen Jahren erhoben haben. Solch eine fundierte Datenbasis ist sehr wertvoll für die Forschung und auch für die Praxis, insbesondere in einem so jungen Feld wie der Shared Micromobility, das ein großes Entwicklungspotenzial hat.
Aus den Daten haben die Wissenschaftler*innen bereits umfangreiche Erkenntnisse erlangt zur Nutzung der Shared Micromobility Services (Anbieter, Nutzungszeiten und -gebiete), zur aktuellen Infrastruktur (Ladestationen und Parkplätze) und zum Zusammenspiel mit dem öffentlichen Personennahverkehr (Vergleich der ÖPNV- und der E-Scooter-Strecken). Die ML-basierten Prognosen bieten Städten und E-Scooter-Anbietern wertvolle Unterstützung bei der Planung von Infrastruktur und der strategischen Ausrichtung ihrer Dienste.
Anwendungsbeispiel Stadt Braunschweig
Die Wissenschaftler*innen möchten ihre Auswertungen der Praxis zur Verfügung stellen. In einem konkreten Anwendungsfall arbeiten sie mit der Stadt Braunschweig an der Integration von Shared Micromobility Services in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dabei geht es u. a. darum, wie das Angebot der E-Scooter sinnvoll mit dem ÖPNV kombiniert werden kann (z. B. E-Scooter am Bahnhof platzieren) und wie sinnvolle Regeln für die Infrastruktur aussehen können (z. B. Parkplätze für E-Scooter schaffen, um Unfallgefahren auf Gehwegen zu vermeiden). Hierzu sind auch Befragungen von Bürger*innen geplant, um ihre Erfahrungen und Zufriedenheit mit den bisherigen Angeboten zu ermitteln. Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftler*innen, wie sich das Geofencing auf Angebot und Nachfrage von E-Scootern in Braunschweig auswirkt. Auf Basis der ML-basierten Analysen sollen Empfehlungen und Best Practices für die Stadt abgeleitet werden.